Von Neele Charlotte Kinkel
Schwerpunkt
Mitten in der globalen Pandemie sind wir auf einem Höhepunkt der digitalen Transformation angekommen, der sich inzwischen niemand mehr entziehen kann. Die wohl größte Veränderung ist der Umschwung zu fast ausschließlich digitaler Kommunikation – sowohl in der Uni- und Arbeitswelt als auch im Privatleben. Meine Familie trifft sich inzwischen sonntags zum gemeinsamen Frühstück über Zoom. Selbst Oma ist dabei und mit ihren stolzen 80 Jahren zeigt sie sich lernfreudig und wissbegierig. Inzwischen weiß sie, wie man Zoom-Meetings erstellt und uns aus dem Warteraum zulässt.
Doch wir sind fast an einem Punkt angekommen, an dem wir uns fragen können, wie es weitergehen soll. Viele vor nur wenigen Jahren unvorstellbare Technologien sind längst in die Realität umgesetzt worden. Können wir uns noch mehr digitalisieren und vernetzen? Und worauf sollten wir dabei achten? Ich denke, dass Digitalisierung und digitale Konzerne Probleme mit sich bringen, die wir nicht unterschätzen sollten, die aber gleichermaßen Türen für neue Möglichkeiten öffnen.
Fangen wir mal mit dem Problem an: Die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben verschwimmen immer mehr. Sowohl in der physischen als auch in der mentalen Welt. Ich vermute, dass folgendes Szenario euch nicht fremd ist: Ihr habt einen langen Arbeitstag beendet, wollt euch abends irgendwie ablenken, aber es gelingt euch nicht. Euer Schreibtisch und Sofa sind womöglich im gleichen Zimmer, unter Umständen nutzt ihr sogar das gleiche Gerät tagsüber zum Arbeiten und abends für einen Film. Der Fluss von Push-Benachrichtigungen und E-Mails stoppt auch abends nicht. Und am Ende des Tages entscheidet ihr euch doch, hier noch die eine Mail zu beantworten und dort etwas für die anstehende Deadline zu tun, damit so wenig Arbeit wie möglich für morgen übrigbleibt. Und am nächsten Tag? Dasselbe Szenario. Kurzgefasst: Es geht immer schneller und es wird immer schwieriger abzuschalten. Und das ist ein ernstzunehmendes Problem, denn als ehemalige Psychologiestudentin bin ich mir bewusst, wie wichtig es ist, dem Gehirn eine Pause zu gönnen und etwas Abstand zu gewinnen, wollen wir unsere Aufgaben erfolgreich lösen. Für digitale Konzerne, auf Unternehmensebene, gilt das Gleiche: Die Entwicklungen und Veränderungen gehen so schnell, dass sich Unternehmen keine Pausen gönnen dürfen, wollen sie der Konkurrenz standhaft bleiben. Das kann zu Problemen führen, denn unter Zeitdruck Arbeiten führt zwar zu schnellen Lösungen, aber nicht unbedingt zu guten Lösungen.
Was können wir dagegen tun? Und was sind die guten Seiten der Digitalisierung? Ein wichtiges Stichwort ist meiner Meinung nach „Kooperation”. In unserer vernetzten Welt ist das Kooperieren einfacher denn je. Informationen können immer schneller übertragen und geteilt werden wie z. B. über diverse Clouds. Ich denke, dass ein Paradigma, in dem wir uns wegbewegen von Konkurrenzdenken und hinbewegen zu Kooperationsdenken, zu einer Zukunft führen kann, in der wir den technischen Fortschritt besser und gesünder bewältigen können. Und nicht nur das: Kooperation während digitaler Transformation kann auch zu wunderbaren unternehmensinternen Veränderungen führen, die wir uns schon lange wünschen. Kooperation zwischen älteren und jüngeren Menschen, die im Umgang mit Technik und digitalen Strukturen häufig geschickter sind, kann Unternehmen helfen, sich von überholten hierarchischen Strukturen zu lösen und den Weg zu modernen Konzepten einzuleiten. So können Unternehmen z. B. mehr Diversität in Führungsposition erlangen, was längst überfällig ist.
Zusammenfassend denke ich, dass die Digitalisierung uns viele Chancen zu positiver Veränderung gibt, aber wir dürfen die mentale Arbeit, die wir selbst leisten müssen, nicht unterschätzen. Wir müssen uns bewusst sein, dass Probleme und Misskommunikation auftreten können und werden, aber auch, dass es dafür Lösungen gibt, die es bewusst zu suchen gilt. Denn einen Weg zurück gibt es nicht.
freiraum #69