Desmond Morris’ „The naked ape” ist ebenso hochaktuell wie inspirierend. Rezension von Dr. Peter Bieg

Rezension

 


The naked ape von Desmond Morris

  • Ersterscheinung 1967
  • Sprache: Englisch, deutsche Übersetzung erhältlich
  • Umfang: 172 Seiten (Taschenbuchausgabe, Vintage Verlag, 1994)
  • Genre: Sachbuch

„Der nackte Affe erschien erstmals im Jahr 1967. Alles was ich darin beschrieben habe erschien mir offensichtlich, doch viele Menschen hat es schockiert“, schreibt der britische Zoologe Desmond Morris im Vorwort einer Neuausgabe des Buches aus dem Jahr 1994. Was Morris in seinem mehr als 10-millionenfach verkauften Werk tut, ist ebenso Alltag für ihn wie es den Blick auf den Alltag seiner Leser verändert: Desmond Morris beschreibt das Lebewesen Mensch aus dem Blickwinkel des Zoologen. „Es gibt 193 lebende Spezies von Affen und Menschenaffen“, schreibt Morris in seiner Einleitung. „Die Ausnahme ist ein nackter Affe, der sich selbst Homo sapiens nennt. Diese ungewöhnliche und hoch erfolgreiche Spezies verbringt eine große Menge von Zeit damit, ihre eigenen höheren Motive zu untersuchen und eine ebenso große Menge Zeit damit, ihre fundamentalen Triebe gewissenhaft zu ignorieren. […] Er ist ein besonders lautstarker, äußerst entdeckungslustiger, überbevölkerter Affe und es ist höchste Zeit, dass wir seine Verhaltensmuster untersuchen.“ Der Mensch als oberster Affe – das ist Morris‘ Grundgedanke, vom dem ausgehend er seine Untersuchung unternimmt. In acht Kapiteln bespricht er Ursprünge, Paarungsverhalten, die Aufzucht von Nachwuchs, Erkundungsverhalten, Kämpfe, Ernährung Komfortzonen und den Umgang mit anderen Lebewesen des nackten Affen.

Morris‘ Buch ist ein wissenschaftlich fundiertes Sachbuch, das dazu einlädt, die eigene Spezies aus einem erfrischenden, weil buchstäblich demütigenden Blickwinkel kennenzulernen. Wer Morris‘ Buch liest, versteht genauer, wer er ist und warum er ist, wie er ist. Ob beim folgenden Weg auf die Toilette, beim Herumalbern mit Partner oder Partnerin oder im Fußballstadion – Morris deckt auf, was den Menschen zum Ober-Affen macht und wieso er wohl für alle Zeiten nur der Ober-Affe bleiben wird. „Wie wenig, wie sehr wenig hat er sich verändert, der nackte Affe seit seinen frühen, primitiven Tagen“, so beschließt Morris das Kapitel über die Kampfhandlungen des nackten Affen. Doch als Zusammenfassung des Buches taugt dieser Satz nur bedingt: Morris‘ Beobachtungen führen zu weit mehr als der Schlussfolgerung, dass auch der postmoderne Mensch wesentlich animalischer ist, als es ihm lieb ist. Morris‘ Buch verfeinert unterhaltsam und mit immer wieder geschickt gesetzten Pointen die Sicht des nackten Affen auf sich und seinesgleichen. 

Zum Autor

Dr. Peter Bieg war von 2016 bis 2018 in der Promotionsförderung und wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Kommunikationswissenschaft promoviert.

freiraum #62