Vier Kriterien für ein gutes Krisen-Narrativ einer Organisation. Von Dr. Marion Felbel

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In einer Krisensituation wie der gegenwärtigen, die durch die Corona-Pandemie entstanden ist, werden nach der ersten Schockphase die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Betroffenen sichtbar.

In vielen Organisationen wird jetzt über die Krise nach der Krise nachgedacht und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells oder bestimmter Angebote überprüft.

Gute Führung unterscheidet sich in dieser Zeit ganz besonders von schlechter Führung. Führungskräfte, die jetzt nicht zuhören, nicht reflektieren oder sehr spärlich kommunizieren, unterstützen damit das Entstehen von Gerüchten und den Zerfall des Zusammenhalts in einer Organisation. Denn viele Mitarbeiter sehnen sich nach Solidarität und Sicherheit.

Das Narrativ in der Krise, welches das Top-Management in diesen Wochen präsentiert, wird mit großem Interesse wahrgenommen und bewertet, weil es sich um ein grundlegendes Thema handelt, das Auswirkung auf viele Menschen hat: Kommuniziert die Führung eine strategische Überlegung, die im Kern eher solidarisch oder eher egoistisch gedacht ist? Ist eine innovative Zukunftsidee in einem gemeinsamen Prozess entwickelt worden oder dient sie nur den Interessen weniger? Beinhaltet der Kern einer Entscheidung ein Standardrezept mit monokausalen Zusammenhängen oder wird hier mit einem breiteren Blickwinkel auf die Herausforderungen der Zukunft geschaut?

Jetzt sind viele Menschen ganz besonders sensibilisiert für die Motive von Entscheidungen und sie werden die Folgen vielleicht schon bald selbst spüren. Wie also soll ein gutes Narrativ in der Krise entwickelt werden, wenn man eine möglichst breite Akzeptanz für das Handeln der Verantwortlichen erzeugen möchte? Dazu möchte ich Euch gerne vier Kriterien an die Hand geben:

  1. Glaubwürdigkeit
    Die Inhalte der Krisenkommunikation sollten auf die bisherige Kommunikation abgestimmt sein zum Bild der Organisation in der Öffentlichkeit passen.
  2. Kontextabhängigkeit
    Die in der Krise ad hoc gesetzten Themen werden umso besser verstanden und angenommen, je sorgfältiger sie in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Sinnvoll ist, Szenarien bezüglich der Auswirkungen einer Nachricht abzuklopfen, um Missverständnisse zu reduzieren und mögliche Folgen abzuschätzen.
  3. Orientierung und Verantwortungsbewusstsein
    Das Narrativ stellt klar, dass zu jeder Zeit Führung stattfindet. Auch in Zeiten großer Unsicherheit sollten sich die Verantwortlichen nicht zu viel Zeit lassen, nach innen und außen zu kommunizieren, welche Überlegungen möglicherweise sinnvoll für den Fortbestand der Organisation sein könnten. Da viele Variablen nicht kontrollierbar sind, kann es in bestimmten Phasen nur Informationen über potenzielle Ziele und Zwischenziele geben. Trotzdem erzeugt man damit eine gewisse Orientierung und dokumentiert das Bemühen um eine gute Lösung.
  4. Umgang mit Emotionen und Bilder
    Nur der regelmäßige, offene Austausch zwischen allen Stakeholdern wird sicherstellen können, dass die emotionale Komponente bei allen Überlegungen zur Krisenbewältigung eine wichtige Rolle spielt. Dazu zählen Gefühle wie Angst, Frustration, aber auch Mut und Hoffnung. Dabei kann ein bebildertes Narrativ hilfreich sein, um einen emotionalen Anker zu setzen. Damit werden viele Menschen sich verstanden und ernst genommen fühlen und nur so werden sie bereit sein, die nächsten Schritte mitzugehen und wieder Vertrauen aufzubauen.

Dr. Marion Felbel, Kommunikationswissenschaftlerin und zertifizierte systemische Organisationsberaterin. Für ihre Klienten entwickelt sie strategische Konzepte für die Einführung und erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprojekten. Ihr Fokus liegt auf der internen Kommunikation, um den Weg zu ebnen für die Akzeptanz von Innovationen auf der Führungs- und der Teamebene. Dabei bringt sie viel Erfahrung in der Bearbeitung von interkulturellen Spannungsfeldern mit, da sie seit 20 Jahren als Co-Active®Coach für internationale Klienten in Chicago/Illinois und in Deutschland gearbeitet hat. Kontakt: mf@felbelconsulting.de oder marion.felbel@change-factory.de