Entwicklung eines in-vitro-Herzklappentestsystems für kalzifizierte Herzklappenerkrankungen. Von Kathrin Stadelmann

Forschung


Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die den Rhythmus des Herzens aus dem Takt bringen. Glücklicherweise gibt es eine große Anzahl an pharmakologischen Therapien. Das Herz stolpert? Kein Problem! Eine Pille morgens, eine abends, bitte sehr!

Doch leider ist es nicht immer so einfach. Bei einigen Herzerkrankungen kann nur ein chirurgischer Eingriff helfen. Dieser ist mit einem hohen Risiko sowie physischen und psychischen Belastungen für den Patienten verbunden. Zu diesen Erkrankungen zählt die kalzifizierte Aortenklappenstenose (Calcific Aortic Valve Disease, CAVD), bei der das Einsetzen eines Herzklappenersatzes die einzige Therapielösung darstellt. Der Grund hierfür ist, dass die Pathogenese einen aktiven und komplexen degenerativen Prozess darstellt, der im Detail noch nicht vollständig verstanden ist.

Bisher bekannt ist, dass die CAVD die am häufigsten erworbene behandlungsbedürftige Herzklappenerkrankung ist und vorwiegend in westlichen Ländern auftritt, wobei 7 Prozent der Bevölkerung ab dem 65. Lebensjahr betroffen sind. Zu Beginn der Erkrankung tritt eine Verdickung der Aortenklappe ein, da sich die extrazelluläre Matrix versteift und im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung eine Verkalkung (Ablagerung eines knochenähnlichen Materials) erfolgt und in einer Aortenklappenstenose endet. Hierbei kann sich die Aortenklappe weder vollständig öffnen noch schließen und unbehandelt ist eine hohe Sterblichkeit die Folge.

Aber gehen wir zurück zum Anfang. Was ist die Aortenklappe überhaupt, wo sitzt sie und was genau sind ihre Aufgaben? Die Aortenklappe ist eine von vier Herzklappen (Pulmonalklappe, Mitralklappe und Trikuspidalklappe) und sitzt zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader (Aorta). Ihre Funktion ist vergleichbar mit einem Auslassventil: Sie sorgt dafür, dass Blut in Richtung der Aorta und somit hinaus in den Körperkreislauf fließt. Aufgebaut ist die Aortenklappe aus drei halbmondförmigen Klappensegeln, die auch „Taschen“ genannt werden. Daher auch der Oberbegriff „Taschenklappe“. Die Taschen füllen sich mit Blut, wodurch sich die Ränder der Taschen dicht aneinanderlegen. Zusätzlich haben die Taschen im Zentrum des freien Taschenrandes jeweils ein kleines Knötchen, den Nodulus Arantii, der den Klappenschluss beim Blutrückstrom verbessert. Die Aortenklappe setzt sich aus drei Schichten zusammen: der kollagenreichen Fibrosa, der intermediären Spongiosa und der elastinreichen Ventrikularis. Jede dieser Schichten erfüllt spezifische Aufgaben, diese reichen von stützenden Aufgaben bis hin zur Dehnbarkeit der Aortenklappe. Weiterhin enthält die Aortenklappe zwei Zelltypen: Die valvulären endothelialen Zellen (Valvular Endothelial Cells, VECs), die die Fibrosa und Ventrikularis mit einer Monolage bedecken und die valvulären interstitiellen Zellen (Valvular Interstitial Cells, VICs), die sich in allen drei Schichten der Aortenklappe befinden. Diese beiden Zelltypen sind aktiv an der Ausbildung der Aortenklappenverkalkung beteiligt.

Das Modell meiner Arbeit basiert darauf, dass der bisher vorhandene mechanische und biologische Herzklappenersatz den Patienten aufgrund der lebenslangen Einnahme blutverdünnender Medikamente oder einer Folgeoperation einschränkt und daher die dritte Generation des Herzklappenersatzes entwickelt wurde, die diese Limitationen nicht besitzt. Der neue Herzklappenersatz basiert auf einem elektrogesponnenen, polymeren 3D-Trägersubstrat. Der Vorteil ist, dass sich das polymere Trägersubstrat über einen bestimmten Zeitraum selbstständig abbaut und der Körper in der gleichen Zeitspanne entlang des Trägersubstrates selbstständig eine natürliche Herzklappe bildet. Viele Forschungsgruppen entwerfen derzeit diesen neuartigen Herzklappenersatz. Da sich das Trägersubstrat aufgrund der Nachahmung der nativen Herzklappe ebenfalls als ideales 3D-Modell in vitro eignet, habe ich ein solches Trägersubstrat entworfen, um unser Wissen über den Krankheitsverlauf der CAVD auf Basis dieser 3D-Modelle zu erweitern.

Das von mir entwickelte mehrlagige, polymere 3D-Trägersubstrat bildet die einzelnen Schichten der Aortenklappe nach, die an der Verkalkung beteiligt sind. Hierzu habe ich das Verfahren des kryogenen Elektrospinnens verwendet. Bei diesem Verfahren können aus einer Polymerlösung durch Anlegen eines elektrischen Feldes Fasern mit einem Durchmesser von wenigen Nano- bis Mikrometern erzeugt werden. Diese Faserstruktur imitiert die extrazelluläre Matrix der Aortenklappe. Im Anschluss werden verkalkungseinleitende Substanzen dem Modell zugefügt, um Änderungen im Phänotyp von VICs und VECs zu ermitteln.

Parallel wird an der neuen, revolutionären Organ-on-a-chip-Technik gearbeitet. Ziel dieser Technologie ist es, die Funktion einzelner Organe bzw. das Zusammenspiel mehrerer Organe im kleinen Maßstab nachzubilden und somit Medikamente schneller zu entwickeln und die Anzahl an Tierversuchen zu reduzieren. In meiner Arbeit versuchen wir, eine schlagende Herzklappe in eine mikrofluidische Plattform (Chip) zu integrieren, damit der Verlauf der Erkrankung in vitro in einem perfundierten bzw. dynamischen Model untersucht werden kann. Da zahlreiche Studien belegen, dass sich die Zellantwort in einem physiologischen 3D-Modell verändert im Vergleich zu den bisher etablierten statischen 2D-Zellkulturen, wollen wir in diesem Projekt den physiologischen Zustand einer nativen Herzklappe nachbilden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Projekt ein großes Potenzial besitzt, um ein Puzzleteil zum Entschlüsseln der CAVD beizutragen und den Weg zu ebnen für spätere Arbeiten, basierend auf dieser Fragestellung.

  • Name: Kathrin Stadelmann
  • Fachbereich: Biomedizinische Technologien und Regenerative Medizin
  • Institut: NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen
  • Universität: Eberhard Karls Universität Tübingen

Die Autorin ist seit November 2017 in der Promotionsförderung der FNF.

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