Wie Pumpsysteme Bakterien eine Antibiotikaresistenz verleihen. Von Miriam Sarah Kuth

Forschung



Fast ein Jahrhundert nach der Zufallsentdeckung des ersten Antibiotikums Penicillin durch Sir Alexander Fleming steht die Welt vor einem medizinischen Kraftakt: trotz der Weiterentwicklung und Neuerfindung zahlreicher Antibiotika treten immer häufiger multiresistente Keime auf. Die ausgelösten Infektionen können teilweise nicht mehr durch die derzeit zugelassenen Präparate therapiert werden. Allein in Europa erliegen jährlich circa 30.000 Menschen Infektionen mit multiresistenten Keimen (Cassini et al., 2018). Es ist zu befürchten, dass die derzeit gängige Praxis der Antibiotikagabe in Human- und Tiermedizin diese Zahl steigen lässt.

Neben einem stärker kontrollierten oder eingeschränkten Antibiotikaeinsatz sind eine intensive Erforschung von Resistenzmechanismen sowie die Entwicklung neuer Strategien notwendig, damit zukünftig „einfache“ bakterielle Infektionen kein lebensbedrohliches Szenario darstellen. Bakterien haben zahlreiche Strategien entwickelt, sich der bakteriostatischen oder bakteriziden Wirkung von Antibiotika zu entziehen: (1) durch Veränderung des Ziels des Antibiotikums, (2) durch enzymatische Veränderung des Antibiotikums selbst, sodass das Antibiotikum nicht mehr am Ziel binden und dieses hemmen kann, oder (3) schlichtweg durch eine Konzentrationsverringerung des Antibiotikums im Bakterium, sodass diese in der Zelle auf einem unschädlichen Niveau gehalten wird.

Letzteres geschieht durch Pumpsysteme, sogenannte Effluxpumpen, in der bakteriellen Zellmembran, welche Gegenstand meiner Forschung sind. Effluxpumpen sind keine „neue“ Erfindung von Bakterien, die aufgrund des Einsatzes von Antibiotika erworben wurde, sondern vielmehr Teil einer generellen Abwehr von schädlichen Substanzen, was ihre hohe Substratpromiskuität erklärt. Effluxpumpen transportieren chemisch unterschiedliche Substanzen aus der Zelle; neben Antibiotika auch Lösungsmittel, Desinfektionsmittel, Farbstoffe, Gallensalze oder Detergenzien. Allerdings ist die Synthese der Pumpsysteme in resistenten Keimen aufgrund des Selektionsdrucks durch Antibiotika stark hochreguliert.

Gegenstand der Forschung unseres Arbeitskreises ist unter anderem das Pumpsystem AcrAB-TolC aus Escherichia coli, dessen Synthese mit einem Resistenzphänotyp der Bakterien einhergeht. Abb. 1 zeigt schematisch das AcrAB-TolC eingebettet in die innere und äußere Membran sowie die Überbrückung, das Periplasma. Es handelt sich um ein tripartites System aus (1) dem H+/Substrat-Antiporter AcrB, welcher die innere Membran durchspannt; (2) dem Membranfusionsprotein AcrA im Periplasma (zwischen den inneren und äußeren Membranen) sowie (3) dem TolC-Kanal in der äußeren Membran.

Herzstück des Systems ist dabei AcrB, da es für die Substraterkennung und den aktiven, d.h. energieangetriebenen Transport verantwortlich ist. Innerhalb und außerhalb der inneren Membran herrschen unterschiedliche Konzentrationen von Anionen und Kationen. Dadurch besteht ein elektrisches und chemisches Konzentrationsgefälle, das für den Antrieb genutzt wird.

Der Influx von Protonen (H+) durch AcrB bewirkt eine Änderung der räumlichen Struktur des Proteins, wodurch das Substrat durch das Protein geschoben wird. Daher spricht man vom protonenmotorischen Antrieb des Substrattransports in AcrB.

Die Proteinstruktur von AcrB wurde mittels hochauflösender Röntgenstrukturanalysen aufgeklärt (Seeger et al., 2006). Sie zeigen, dass es sich beim funktionellen AcrB um ein asymmetrisches Homotrimer handelt. Das Protein besteht aus drei identischen AcrB Kopien, die während des Transportzyklus unterschiedliche Konformationen (Zustände) annehmen, und somit eine funktionelle Rotation durchlaufen. Abb. 2 zeigt das asymmetrische Homotrimer (a), sowie die Monomere in den Konformationen loose (blau, (b)), tight (gelb, (c)) und open (rot, (d)).

Die Konformationen spiegeln den Transportzyklus durch das Protein wider, welcher wie folgt abläuft: In (L) binden die Substrate locker an das Protein, in (T) erfolgt eine feste Bindung, während in (O) das Substrat in Richtung des TolC Kanals (Abb. 1) entlassen wird. Während des Zyklus entstehen Engstellen im Protein, wodurch das Substrat wie bei einer peristaltischen Pumpe durch das Protein gedrückt wird.

Wie kann die breite Substratspezifität des Transporters erklärt werden?

Die meisten Transportproteine sind, um das empfindliche Gleichgewicht einer Zelle nicht zu stören, hochspezifisch für ein bestimmtes Substrat. Die Polyspezifität respektive Promiskuität von AcrB sowie der anderen Pumpen gleicher Klasse, die chemisch höchst unterschiedliche Substrate transportieren, sind damit eine Besonderheit und Gegenstand intensiver Forschung.

In Strukturstudien (Sennhauser et al., 2007; Eicher et al., 2012) konnten bis dato vier Substrattunnel identifiziert werden, welche in Abb. 3 im asymmetrischen AcrB Trimer angedeutet sind. Drei dieser Kanäle sind Eingangskanäle (Channel 1-3), welche in den Konformationen loose (L) bzw. tight (T) vorliegen und in die Bindetaschen Deep binding pocket und Access pocket münden. Der Austrittskanal (exit channel) ist nur in der open (O) Konformation geöffnet und stellt das Verbindungsstück zu AcrA und TolC dar (Abb. 1). Die Substratspezifität wird folglich von Channel 1-3, bzw. von der Access und Deep binding pocket determiniert.

Die Kanäle weisen eine leicht unterschiedliche Substratpräferenz auf. So präferieren kleine Substrate wie etwa kleinere Antibiotika Channel 1, große Substrate Channel 2 und planare Aromaten (z.B. Farbstoffe) Channel 3 (Zwama et al., 2018). In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Arbeitsgruppen an AcrB und seinen Homologen geforscht und Stück für Stück deren molekulare Mechanismen untersucht. Dennoch sind wichtige grundlegende Aspekte nach wie vor unbekannt, beispielsweise, wie der protonenmotorische Antrieb und der Transport miteinander gekoppelt werden.

Auch wurden Inhibitoren (Hemmstoffe) entwickelt, welche die Pumpsysteme blockieren, um Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken. Für eine möglichst spezifische und damit auch möglichst nebenwirkungsarme Inhibition ist eine weitere Ergründung der molekularen Mechanismen von AcrB und seinen Homologen unerlässlich. Daran arbeiten wir.

freiraum #65