Von Sibylla Elsing.
Schwerpunkt
Die Bomber kamen in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945. Sprengbomben zerstörten Dächer und Fenster, so dass die anschließend abgeworfenen Brandbomben eine noch größere Hitze entfalten konnten. Innerhalb von 15 Minuten waren drei viertel der Altstadt in Brand gesetzt – die zahlreichen Einzelfeuer vereinten sich zu einem orkanartigen Feuersturm, der 37 Stunden in der Stadt wütete und 25.000 Menschen das Leben kostete.
Vom Coselpalais griff das Feuer auf die Frauenkirche über. Durch die extreme Hitze des Brandes von bis zu 1.200 Grad Celsius barsten die Fenster und das Feuer konnte auf den mit viel Holz ausgestatteten Innenraum übergreifen. Noch stundenlang nach dem Angriff schwebte die Kuppel über der brennenden Ruine. Um kurz nach 10 Uhr am Morgen des 15. Februar, so berichtete später eine Augenzeugin, hörte sie ein leises Knistern, die Kuppel neigte sich in Richtung des zuerst zerbrochenen Pfeilers, in Sekundenbruchteilen barsten auch alle übrigen Pfeiler und die herabstürzende Kuppel sprengte die Außenmauern auseinander. Ein dumpfer Knall war zu hören und eine riesige, schwarze Staubwolke stieg über der Stadt auf. Die Frauenkirche, erbaut nach einem Entwurf von Georg Bähr in den Jahren von 1726 bis 1743 in Anlehnung an die Kirche Santa Maria della Salute in Venedig , ein Wahrzeichen der Stadt mit einer der größten steinernen Kuppeln nördlich der Alpen, lag in Trümmern. Auch die imposante Silbermann Orgel, auf der Johann Sebastian Bach am 1. Dezember 1736 ein viel beachtetes Konzert gegeben hatte, war mitsamt dem Orgelprospekt vollständig zerstört worden. In diesem Jahr jährten sich die Luftangriffe auf Dresden durch die Royal Air Force und die United States Army zum 75. Mal.
Unmittelbar nach Kriegsende wurden durch den damalige Landeskonservator Hans Nadler und sein Team schon 850 Steine vermessen und inventarisiert. Ein Teil dieser Steine wurde auf Drängen der Stadtverordneten 1959 zur Befestigung der Brühlschen Terrasse benutzt, konnte aber zum Teil zurück zum Trümmerhaufen gebracht werden. Dann sollten auf Anordnung Ulbrichts die Trümmer der historischen Gebäude an mehreren Stellen der Stadt, auch diejenigen der Frauenkirche, entfernt werden, was nur durch Bürgerproteste und die Initiative Nadlers, den Trümmerberg mit Rosen zu bepflanzen, verhindert werden konnte. Erst 1966 wurde die Ruine der Frauenkirche von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) offiziell zum Antikriegsdenkmal erklärt und fortan fanden dort am Jahrestag der Zerstörung staatlich gelenkte Gedenkdemonstrationen statt. Von 1982 an trafen sich dort jedoch an jedem 13. Februar Gruppen der christlichen Friedensbewegung in der DDR.
Die friedliche Revolution von 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands brachten auch für die Dresdner Frauenkirche eine Wende mit sich. Jahrzehntelang war eine Rekonstruktion umstritten gewesen. Gegner eines Wiederaufbaus wollten den Trümmerberg, aus dem nur noch zwei Mauerstümpfe emporragten, als Warnung weiterhin erhalten. Doch schon im November 1989 gründeten engagierte Dresdner Bürger, darunter Hans Nadler, eine Initiative für den Wiederaufbau der Frauenkirche. Mit einem offenen Brief, dem „Ruf aus Dresden“, mit dem weltweit um Hilfe für den Wiederaufbau geworben wurde, traten sie im Februar 1990 an die Öffentlichkeit. Dieser Brief löste eine enorme Spendenbereitschaft aus, die sächsische Landesregierung beschloss 1991 den Wiederaufbau und die „Stiftung für den Wiederaufbau Frauenkirche“ wurde gegründet. Länger diskutiert wurde die Frage nach der Art des Wiederaufbaus. Schließlich wurde entschieden, die Frauenkirche nach historischen Bauplänen und unter weitgehender Verwendung der historischen Baumaterialien wieder aufzubauen. Durch die viel dunklere Färbung der historischen Steine sollte die Zerstörung so dennoch für lange Zeit sichtbar bleiben.
Der Wiederaufbau begann am 27. Mai 1994 mit der feierlichen Verlegung des ersten Steins. Die „Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Deutschland“, der US-amerikanische Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel, der die Fördergesellschaft „Friends of Dresden“ gründete, der britische „Dresden Trust“ und viele Fördergesellschaften mehr sammelten Spendengelder.
Auch die Musik kehrte schon damals in die noch im Rohbau befindliche Kirche zurück. Der Dresdner Trompeter Ludwig Güttler übernahm dabei die Leitung der legendären Wiederaufbaukonzerte. Anlässlich eines solchen Konzertes, eines Liederabends im Dezember 2000, war auch der Dresdner Tenor Peter Schreier zu hören. Der Großteil des Wiederaufbaus konnte so durch Spendengelder finanziert werden. Am 7. Juni 2003 hörten 40.000 Menschen, die sich um die Frauenkirche versammelt hatten, erstmals wieder die Glocken läuten. Kaum ein Jahr später konnten 60.000 Zuschauer vor Ort und circa acht Millionen Zuschauer an den Bildschirmen verfolgen wie Turmhaube und Kreuz wieder aufgesetzt wurden. Da das alte Kreuz erst 1993 schwer beschädigt unter den Trümmern aufgefundene wurde, hatte der Londoner Kunstschmied Alan Smith, der Sohn eines britischen Piloten, der Dresden bombardiert hatte, ein neues Kreuz erschaffen. In seiner Festansprache anlässlich der Wiedereinweihung der protestantischen Dresdner Frauenkirche am 30. Oktober 2005, mehr als 60 Jahre nach ihrer Zerstörung und 15 Jahre nach der Wiedervereinigung, betonte Bundespräsident Horst Köhler den für die bürgerliche Freiheit und die deutsche Einheit stehenden Symbolcharakter der Frauenkirche.
Am 11. November 2005 fand in der Dresdner Frauenkirche die Uraufführung des eigens für diesen Kuppelraum in Auftrag gegebenen „Te Deum“ des bedeutendsten Komponisten der DDR, Siegfried Matthus, statt. Mit seiner Komposition wollte Matthus sowohl das Drama der Zerstörung als auch die Freude über den Wiederaufbau zum Ausdruck bringen. Im Mittelpunkt des circa 75-minütigen Werkes steht ein als „Inferno" bezeichneter Abschnitt, der mit Schlagzeugkaskaden und Chor an den Feuersturm von 1945 erinnern soll. Ein mit „Die Orgel" überschriebener Abschnitt bezieht Bachs d-Moll-Toccata mit in die Komposition ein und soll daran erinnern, dass einst Johann Sebastian Bach die erste Orgel der Frauenkirche weihte. Neben sechs Gesangssolisten, darunter dem Bass René Pape, beteiligten sich rund 80 Musiker der Dresdner Philharmonie, sowie 40 Sänger des Rundfunkchors Berlin und 25 Sänger des Dresdner philharmonischen Kinderchors an der Aufführung. Der Dirigent an diesem Abend war Kurt Masur.
Weitere Uraufführungen folgten, so die Aufführung der zum 200. Todesjahr von Joseph Haydn entstandenen Komposition des in Hiroshima geborenen Künstlers Toshio Hosokawa am 06. November 2010. In der aus neun Sätzen bestehenden Komposition setzt sich Hosokawa sowohl mit Haydns „Die Schöpfung“ auseinander als auch mit den Luftangriffen 1945 auf Dresden und dem Bombenangriff auf Hiroshima. Im Februar 2012 war die Uraufführung des Dresden-Requiems „Ode to Peace“ der Komponistin Lera Auerbach in der Frauenkirche zu hören, der erste Kompositionsauftrag für das Gedenkkonzert auf den Tag der Zerstörung.
Zu Beginn sahen viele Dresdner die Frauenkirche als Touristenkirche an und auch ich besuchte die Dresdner Frauenkirche 2011 als Touristin. Von einem der oberen Balkone aus erlebte ich als damals 14-Jährige am 21. Mai die Aufführung von Bruckners 7. Sinfonie E-Dur, WAB 107, welche als Sonderkonzert im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele von Kurt Masur dirigiert wurde. Dieses Konzert in dem besonderen Kuppelraum der Kirche beeindruckte mich tief. Sicher haben die zahllosen Konzerte auch dazu beigetragen, dass die Dresdner die Frauenkirche wieder für sich entdeckten. Dazu gehören beispielsweise die Konzerte der jährlich stattfindenden Bach-Tage und seit dem Jahr 2000 auch die jährlich vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) übertragenen Adventskonzerte mit der Staatskapelle Dresden und bekannten Solisten. In dieser Konzertreihe waren 2017 die Sopranistin Diana Damrau und der Bariton Benjamin Appl zu hören, 2018 sang die Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller Max Regers „Mariä Wiegenlied“ und zusammen mit der Mezzosopranistin Stephanca Puralkova den „Abendsegen“ aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck. Der weltbekannte Geiger Daniel Hope, seit 2017 Artistic Director der Frauenkirche, spielte das „Adagio“ aus dem Violinkonzert Nr. 3, G-Dur (KV 216) von Wolfgang Amadeus Mozart. Im Adventskonzert 2019 traten die Sopranistin Regula Mühlemann und der Tenor Julian Prégardien auf.
Unter dem Motto „Wandlung“ präsentierte die Dresdner Frauenkirche 2019 mehr als 130 Konzerte, klassische Musik ebenso wie zeitgenössische Kompositionen und musikalische Neuentdeckungen. Vieles hat die Corona Situation in diesem Jahr verändert und so kann auch das traditionelle Adventskonzert des ZDF in diesem Jahr nicht wie gewohnt vor Publikum stattfinden. In der Aufzeichnung, die am 29. November 2020 ausgestrahlt wird, singt Aida Garifullina aus der Messe in c-Moll Mozarts „Laudamus te“ und das „Ave Maria“ aus „Otello“ von Giuseppe Verdi. Der Tenor Daniel Behle wird unter anderem mit „Frohe Hirten, eilt…“ aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach zu hören sein.
Sibylla Elsing studiert Voice Performance (M.Mus.) an der Universität der Künste in Folkwang. Das Artikelbild stammt ebenfalls von ihr.
freiraum #68