Von Arash Askaryanzardak.
Schwerpunkt
Im Jahr 2019 gab es weltweit fast 270 Millionen Migranten (2000: 170 Millionen, die Zahl der Binnenvertriebenen ist nicht mitgerechnet). Die meisten Migranten lebten 2019 in den Vereinigten Staaten (51 Millionen), gefolgt von Saudi-Arabien, Deutschland und Russland. Seit Juli 2013 ist die Europäische Union (EU) ein Staatsverbund von nun 27 Mitgliedstaaten, der in seiner Art einmalig auf der Welt ist. In den EU-Staaten wurden 2018 insgesamt 646.000 Asylanträge gestellt. Das wichtigste Zielland der Antragssteller war Deutschland (27% aller Asylanträge, entspricht 186.000 Anträgen), gefolgt von Frankreich und Griechenland. Vor der Wende im Jahr 1987 wurden in Deutschland 57.000 Asylanträge gestellt. Im Jahr 2018 lebten rund 40 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Europa (8% der damaligen europäischen Gesamtbevölkerungszahl). Im Januar bis September 2020 wurden in Deutschland rund 86.000 Asylanträge gestellt, 34% aller Antragsteller waren Kinder unter vier Jahren, 13% Jugendliche zwischen 18-25 Jahren (davon 68% männlich). Im Jahr 2020 hat jeder Vierte (2018 war es noch jeder Fünfte!) in Deutschland einen Migrationshintergrund, wovon etwa die Hälfte, also 11,2 Millionen Menschen, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Zwei Drittel aller Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind Angehörige der Länder der Europäischen Union. Von den nicht-deutschen Staatsangehörigen hatten die meisten Ausländer im Jahr 2018 folgende Staatsangehörigkeit (absteigend geordnet): türkisch, polnisch, syrisch, rumänisch, italienisch, kroatisch. Die Menschen mit Migrationshintergrund sind deutschlandweit sehr unterschiedlich wohnansässig. So wohnen in den alten Bundesländern wie Bremen, Hessen und Hamburg rund ein Drittel an Menschen mit Migrationshintergrund, wohingegen der Anteil in den neuen Bundesländern bei durchschnittlich 7% der Bevölkerung liegt.
Ein wichtiges Thema im Rahmen der Migration ist ebenfalls die Auswanderung aus Deutschland. Die Zahl deutscher Auswanderer hat sich binnen weniger Jahrzehnte zwischen 1970 und 2009 verdreifacht. So wanderten in den 1970er Jahren jährlich durchschnittlich 50.000 Deutsche aus, wobei 175.000 Deutsche 2008 auswanderten. Die Westdeutschen emigrierten doppelt so häufig wie die Ostdeutschen. Die meisten Deutschen wanderten in die Schweiz, nach Österreich, Frankreich und Großbritannien aus. Die deutschen Auswanderer verfügten im Durchschnitt über einen Hochschulabschluss und stellten hinsichtlich der beruflichen Qualifikation eine positiv selektierte Gruppe dar. Insgesamt registrierte das statistische Bundesamt 2019 für das erste Halbjahr 748.000 Zuzüge sowie 581.000 Wegzüge. Die Nettozuwanderung belief sich 2019 auf 167.000 Personen.
Die deutsche Regierung versucht dem herrschenden Arbeitskraftdefizit entgegenzutreten und beschloss am 01. März 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten fördern soll. Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung stellte schon im Jahr 2010 fest, dass Deutschland von der internationalen Migration Hochqualifizierter nicht profitiert und seinen Status als wichtigstes Einwanderungsland für Hochqualifizierte in Europa verloren hat. So gewann Deutschland zwischen 2005 und 2009 trotz eines hohen Wanderungsvolumens jährlich nur 3.000 Hochschulabsolventen hinzu. Bei der Analyse nach den Berufsqualifikationen zeigte sich sogar im Gesamtsaldo ein jährlicher Nettoverlust von minus 1.500 Führungskräften und Wissenschaftlern. Die Freie Demokratische Partei (FDP) sieht in ihrem Parteiprogramm eine moderne Einwanderungspolitik einschließlich eines Punkteprogramms nach kanadischem Vorbild als eine gute Lösung beim Umgang mit dem Thema Migration. Ob die Flüchtlingsmigration dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann, ist eher fraglich, da die quantitativ mehrheitlich geringqualifizierten Flüchtlinge (2016 hatten mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge entweder gar keinen Schulabschluss, Grundschulabschluss, mittlere Reife sowie Fachschulabschluss) diese Lücke nur mit hohem Qualifizierungsaufwand ausgleichen können.
Das Erlernen deutscher Sprache bildet das Fundament erfolgreicher Integration. Hierdurch wird der Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen erleichtert, sodass die Migranten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Die Integration kann nur gelingen, wenn sich jeder Mensch, der in Deutschland lebt, dafür verantwortlich fühlt und einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leistet. Für diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt ist genauso wichtig, dass die Aufnahmegesellschaft gegenüber den Neuankömmlingen Respekt und Anerkennung zeigt. Ich benutze das Wort „Toleranz“ absichtlich nicht, da dieses meines Erachtens eine abwertende Bezeichnung für die Menschen ist. Unser Körper beispielsweise toleriert in einem gewissen Bereich hohe Temperaturen. Wir aber sollten die Zuwanderer akzeptieren, und falls dies von unserer Vorstellung sehr fern sein sollte, sie zumindest als würdevolle Menschen respektieren! Deutschland bietet im Rahmen der Integration und Teilhabe diverse Angebote an. Seit Einführung der Integrationskurse bis zum Jahr 2018 wurden insgesamt 151.000 Kurse gestartet. Davon wurden 60% aller Kurse dem allgemeinen Integrationskurs, welcher circa 900 Unterrichtsstunden Sprachkurs beinhaltet, und 30% aller Kurse der Alphabetisierung der Zuwanderer gewidmet. Ein Integrationskurs von 700 Stunden kostet für jeden Teilnehmer etwa 1400 Euro. Asylbewerber mit einer guten Bleibeperspektive und arbeitsmarktnahe Asylbewerber, die vor dem 01. August 2019 eingereist sind, sind von diesen Kosten befreit. Als Nachweis eines erfolgreichen Integrationskurses dient am Ende der skalierte Deutschtest für Zuwanderer (DTZ) im B1-Niveau, welcher es den Teilnehmenden nach der Qualifikation ermöglicht, am sozialen Leben sowie auf dem Arbeitsmarkt aktiv mitzuwirken. Der Anteil aller 30.000 Prüfungsteilnehmer, die den allgemeinen Integrationskurs besuchten und dort das Sprachniveau B1 erreichten, betrug im 1. Quartal 2020 etwa 60%. Im Alphabetisierungskurs erreichten von 6000 Teilnehmern nur etwa jeder Zehnte das B1-Niveau. Bei der Integration von Flüchtlingen in Deutschland spielt hauptsächlich die Einbindung in den Arbeitsmarkt eine große Rolle. Aber gerade hier gibt es viele Probleme, die der Beschäftigung eines Flüchtlings entgegenstehen. Zwei Drittel der Asylbewerber waren 2016 im erwerbsfähigen Alter und könnten theoretisch in den Arbeitsmarkt eingebunden werden. Doch nicht alle werden in den Arbeitsmarkt integriert. Häufige Grunde hierbei sind: gesetzliche Hürden (Aufenthalts- sowie Arbeitserlaubnis, aber auch nachgewiesene geringe Bereitschaft der Kreditinstitute einem Flüchtling ein Kapital zur Erstgründung eines Unternehmens zu verleihen), fehlende Qualifikationen oder Anerkennung der Qualifikationen, fehlende Sprachkenntnisse sowie kulturelle Unterschiede. Im ersten Jahr des Zuzugs sind nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 70% der Flüchtlinge arbeitslos und beziehen staatliche Hilfe, während im 3. Jahr nach dem Zuzug etwa 40% arbeitslos sein werden. Insgesamt sind laut einer Umfrage der Sächsischen Industrie- und Handelskammer 63% der Unternehmen bereit Flüchtlinge einzustellen. Hier lag die Gastronomie mit fast 80% deutlich vorne. Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bleibt eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft.
In den Medien bekommen Verbrechen von Geflüchteten und Ausländern in Deutschland besonders große Aufmerksamkeit, ob die Silvester-Nacht in Köln oder die gestohlene Goldmünze des Bode-Museums. Hier werden Fakten zur Kriminalität von Geflüchteten und Auswanderern geliefert: 2017 haben die Gerichte in Deutschland 716.000 Menschen rechtskräftig verurteilt. Fast ein Drittel der Verurteilten (32,5%) waren Ausländer. Dadurch, dass Ausländer in demselben Jahr nur 12% der gesamten Bevölkerung ausmachten, ist die Ausländerkriminalität überproportional sehr hoch. Hierdurch ergeben sich ebenfalls Diskrepanzen bei der Gesamtbelegung deutscher Justizvollzugsanstalten. So waren im Jahr 2018 mehr als 45% aller Häftlinge in bayerischen Gefängnissen keine deutschen Staatsbürger.
Die ausländischen, strafmündigen Tatverdächtigen waren im Jahr 2017 zu 42% für alle begangenen Mord- und Totschläge, zu 40% für Raub und körperliche Erpressung sowie zu 43% für Diebstahl verantwortlich. Die FDP sprach sich in einem Antrag im Bundestag dafür aus, dass Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz mit dem nötigen Personal und den nötigen Mitteln ausgestattet werden, um Ermittlungsverfahren führen und Prozesse schnell zu Ende bringen zu können. Gleichzeitig sollen Jugendstaatsanwälte und Jugendrichter verstärkt für das Thema sensibilisiert werden. Angesichts der neuen Terroranschläge in Deutschland, Österreich sowie Frankreich wird die Thematik der Ausländerkriminalität weiterhin beschäftigen. Was keinesfalls vergessen werden darf sind ebenfalls Anschläge der Rechtsextremisten gegen Migranten und Menschen jüdischer und muslimischer Glaubensüberzeugung.
Die Migration kann nur dann mit der Zeit eine Bereicherung für Deutschland werden, wenn wir uns alle in unseren verschiedenen Rollen, die wir in unserer Gesellschaft spielen, für die Assimilation der integrationswilligen Migranten einsetzen und dadurch ebenfalls den Nährboden für die neuen populistischen Rechtsparteien austrocknen. Hier gilt es, dass Liberale mit einem klugen Kopf auf die Menschen offen zu gehen und uns für ihre Integration aktiv einsetzen, wo auch immer wir es können, sei es ein gemeinsames Zusammenlernen an der Universität oder einer Aktivität in den Flüchtlingsvereinen.
Arash Askaryanzardak studiert Soziologie, Medizin, Philosophie und Politik an der Technischen Universität zu Dresden und ist seit 2019 in der Grundförderung der Stiftung. Er leistet in diversen Vereinen Unterstützung zur Integration der Flüchtlinge. Die Quellen können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
freiraum #68