Im Dezember 2020 fand die Liberale Rechtstagung bereits zum dritten Mal statt. Auch 2021 wird die rechtswissenschaftliche Tagung fortgesetzt. Der Call for Papers läuft noch bis zum 15. Mai 2021. Von Markus Bohn

Am vierten Adventswochenende im Dezember 2020 fand zum dritten Mal die Liberale Rechtstagung (LRT) statt. Pandemiebedingt konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kooperationsveranstaltung zwischen Fachkreis Recht des VSA und Theodor-Heuss-Akademie diesmal leider nicht wie gewohnt in Gummersbach, sondern virtuell zu einer digitalen Konferenz zusammenkommen. Der Tagungsband lag auch in diesem Jahr bereits pünktlich zur Tagung vor. Wer gelegentlich an Rechtstagungen teilnimmt, weiß, dass das bei Weitem keine Selbstverständlichkeit ist, die Tagung aber enorm bereichert. Das Kompliment gilt hier Dr. Mirko Bange und Henri Weber.

Die LRT – eine juristische Tagung im klassischen Sinn – dient zunächst einmal dem wissenschaftlichen Austausch. Die Tagung gibt Juristinnen und Juristen unterschiedlicher akademischer Ausbildungsstände und Karrierestufen die Möglichkeit, einen selbstgewählten wissenschaftlichen Beitrag zu verfassen. Bei der Tagung stellen die Autorinnen und Autoren ihre Beiträge vor. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, den Beitrag kritisch zu diskutieren. Der beste Vortrag sowie das beste Paper werden am Ende der Tagung mit Preisen ausgezeichnet, die der VSA stiftet. Hochrangige Referentinnen und Referenten aus Recht, Politik und Gesellschaft runden das Programm am Abend ab. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bietet die LRT mit der eigenen Veröffentlichung, dem Vortrag vor einem juristischen Publikum und der Begegnungsmöglichkeit mit den (Alt-)Stipendiatinnen und (Alt-)Stipendiaten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eine tolle Möglichkeit, den akademischen Werdegang voranzutreiben und wertvolle Kontakte zu knüpfen.
Die vergangene Tagung fand unter dem Thema „Rechtsfragen zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel im Jahr 2020“ unter der Schirmherrschaft von Konstantin Kuhle, MdB statt.

Angesichts der überragenden Relevanz des Themas kam der Schirmherr in seinem Eröffnungsvortrag am Freitagabend nicht vorbei an den parlamentarischen Entwicklungen des zurückliegenden Jahres im Zuge der Pandemiebekämpfung. Pointiert beschrieb Kuhle die drei Novellierungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und thematisierte ausgehend davon die Übertragung von Parlamentsrechten an das Bundesgesundheitsministerium durch die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Dem wohnt die Gefahr inne, sich an die Achsenverschiebung von der Legislative auf die Exekutive zu gewöhnen. Das problematisierte der Referent ebenso wie die weitreichendsten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik im Jahr 2020.

Die dreitägige Tagung gliederte sich in drei Panels, die aus jeweils vier Vorträgen mit anschließender Diskussion der Referentinnen und Referenten mit den 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestanden. Die Themen „Digitaler Wandel“, „Compliance, Wirtschafts- und Kartellrecht“ und „Gesellschaftsordnung im Wandel“ dienten als thematischer Kompass durch ein Wochenende voller spannender Vorträge und Diskussionen. Dr. Cay Fürsen (Altstipendiat und Rechtsanwalt bei Schmidt, Von der Osten & Huber) übernahm neben Christian von Falkenhausen und Dr. Mirko Bange die Moderation der Panels.

Die Vorträge beschäftigten sich mit verschiedenen drängenden Rechtsfragen u.a. aus den Bereichen Kartellrecht, Grund- und Menschenrechtsschutz, Gesellschaftsrecht, Compliance, Steuerrecht, Patentrecht , Umweltrecht sowie Sozial- und Arbeitsrecht, die in der Pandemie nicht an Bedeutung und Aktualität verloren haben, in der öffentlichen Debatte rund um das Thema Corona aber teilweise zu kurz gekommen sind im Jahr 2020. Die Tagung setzte damit einen gelungenen Kontrapunkt zu anderen Fachtagungen im vergangenen Jahr. Unter anderem setzten sich die Referentinnen und Referenten mit den Themen Rechtsharmonisierung in Netzwerkstrukturen, Corporate-Governance, Kunstfreiheit und Eigenrechte der Natur auseinander. Themenübergreifend kamen – teilweise die Erkenntnisse aus den vergangenen Tagungen aufgreifend – Phänomene der Globalisierung, Digitalisierung, Internationalisierung, des ökologischen Wandels und der Energiewende als gesellschaftliche Transformatoren zur Sprache, auf die der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und auch die Rechtswissenschaft Antworten finden müssen.

Für einen außerordentlich guten Vortrag zum Thema „Digitales Arbeiten – psychologische Befunde und juristische Regelungen“ wurde Cara Warmuth mit dem Best Speech Award ausgezeichnet. Den Best Paper Award gewann der Autor dieses Tagungsberichts selbst mit seinem Beitrag über den Unfallversicherungsschutz bei Telearbeit.
Bei dem Kamingespräch am Samstagabend war Professor Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH a.D. zu Gast. In seinem Impulsvortrag mit dem Titel „Über das Strafen“ – angelehnt an sein gleichnamiges Buch – sprach er über Legitimität, Wahrheit und Kommunikation des Strafens. So thematisierte er die Schwierigkeiten, vor denen die Justiz bei der Wahrheitsermittlung im Prozess steht. Das im Prozess als wahr Angenommene sei immer „nur“ der Versuch der Rekonstruktion von Wahrheit. Zudem legte er einen Blick darauf, vor welchen immensen Herausforderungen die Gerichtsbarkeit steht in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft. Kritisch aus rechtsstaatlicher Perspektive wurde auf den Trend des Gesetzgebers eingegangen, durch die Vorverlagerung von Straftatbeständen aktionistisch auf beinahe jedes unerwünschte Verhalten in der Gesellschaft mit dem „schärfsten Schwert des Staates“, dem Strafrecht, zu reagieren. In der anschließenden Diskussion stand auch der Referent selbst teilweise im Mittelpunkt der Fragen. Welche Konsequenzen hat ein solches Richteramt am BGH und die Öffentlichkeit der Person für das private Leben? Zudem wurde über zunehmende mediale Vorverurteilungen von Angeklagten in der Berichterstattung einiger Medien diskutiert und welche gesellschaftlichen Implikationen das mit sich bringt.

Mit diesem Blick zurück auf die LRT 2020 – einem Wochenende voller spannender Vorträge, Diskussionen und Impulse – freut sich der Fachkreis Recht und der VSA nun auf die diesjährige Liberale Rechtstagung.

Beiträge des Tagungsbands 2020

Bange, Mirko Andreas (Hrsg.) Rechtsfragen zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel im Jahr 2020. Tagungsband Liberale Rechtstagung 2020, Cuvillier Verlag, Göttingen 2020. ISBN-Nr.: 3736972954

  • Mirko Andreas Bange: Vorwort
  • Konstantin Kuhle: Grußwort des Schirmherrn
  • Henri Weber, Michael Weber: Internationales Netzwerk statt Weltkartellrecht
  • Nato Natalie Tsomaia: Datenträgerauswertung von Ausländern und Asylantragsstellern
  • Konrad Greilich: Wir brauchen eine neue Gesellschaftsform!
  • Stephanie Troßbach, Bero Gebhard: Risiko als Element unternehmerischer Freiheit vor dem Hintergrund aktueller Compliance-Erwartungen und Corporate-Governance-Vorschriften
  • Christoph Schmidt: Das modernisierte Besteuerungsverfahren in Deutschland im Vergleich zu Österreich
  • Cordt-Magnus van Geuns-Rosch: Das Patentrecht als Blaupause für liberale Wirtschaftspolitik
  • Julia Münzenmeier: Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
  • Martin Gerner: Sustainibility and Normativity
  • Jasper Mührel: Eigenrechte der Natur
  • Marvin Jürgens: Deutschlands Ausstieg aus der Kohleverstromung
  • Markus Bohn: Unfallversicherungsschutz bei Telearbeit

Die Liberale Rechtstagung 2021

Bereits zum vierten Mal wird vom 10. – 12. Dezember 2021 die LRT in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach stattfinden. Der Call for Papers ist noch bis zum 15. Mai geöffnet.

Juristinnen und Juristen aus allen Tätigkeitsfeldern (Studium, Wissenschaft, Referendariat, Anwaltschaft, Unternehmen, Justiz etc.), egal ob aktuelle oder ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten der FNF oder Dritte sind eingeladen, Beitragsthemen einzureichen und bei Auswahl durch den Fachkreis mit schriftlicher Ausarbeitung im Tagungsband und mündlichem Vortrag auf der Tagung zu präsentieren. Interessierte sind in ihren Themenvorschlägen grundsätzlich frei. Die Auswahl der Beiträge erfolgt alleine nach inhaltlicher Qualität der Bewerbung, wenngleich auch berücksichtigt werden muss, dass sich die Vorträge thematisch gut in Panels einordnen lassen müssen. Erneut werden Kamingespräche mit Gästen aus Recht und Gesellschaft die Tagung abrunden.