Ein Wortwechsel mit Alumna Gyde Jensen MdB. Von Sabrina Wagner
Wortwechsel
Als wir telefonieren ist Gyde Jensen gerade im Home-Office, denn im Bundestag ist sitzungsfreie Woche. Wie sie mir erzählt, braucht sie dann eigentlich nur das Telefon, ihr Tablet und einen Kaffee, um produktiv zu sein. Wir haben über ihren ursprünglichen Plan vom Journalismus und den Weg in die Politik, über Work-Life-Balance und Empowerment gesprochen.
Schon nach wenigen Augenblicken entdecken Gyde und ich eine Gemeinsamkeit. Wir beide wurden über Kolleg:innen bei den Jungen Liberalen auf die Förderung der Friedrich-Naumann-Stiftung aufmerksam. Und es sind die Gedanken, die sicher viele von uns Stipendiat:innen und Altstipendiat:innen vom Weg in die FNF kennen.
So beruhigt es mich, dass auch die heutige Bundestagsabgeordnete zu Beginn ihres Studiums überlegte, ob die Noten wohl überzeugen werden. Doch damals handelte sie nach der Devise „Im Zweifel kann’s ja nur schiefgehen“ – ein Motto, nach dem wir alle vielleicht öfter handeln könnten – und sie wurde nach einem netten Auswahlgespräch in die Stiftung aufgenommen.
Wenn sie sich heute an ihre Stipendiat:innenzeit zurückerinnert, denkt sie spontan an den Elan der vielen jungen Menschen, mit welchen sie bei Winterseminare (Fertigkeitsseminare) der Stiftung diskutierte.
Als Studentin zweier Geisteswissenschaften mit dem Ziel „Medienwelt“ bin ich neugierig, was Gyde zu ihren Studienfächern gebracht hat. Ich erfahre, dass sie in der Schule kein Lieblingsfach hatte, in allen Fächern gleichermaßen gut war und dann ihrem Interesse gefolgt ist. Sie verrät mir, dass sie den Journalismus interessant fand und gerne über internationale Politik berichten wollte.
Reine Sprachkompetenz hat sie im Anglistikstudium jedoch nicht gelernt und auch wie Politik funktioniert, hat sie dann hauptsächlich durch ihr Engagement bei den Jungen Liberalen und der FDP miterlebt. Heute ist Gyde Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Diese Arbeit hat sowohl ihren Blick auf andere Länder als auch auf Privilegien in Deutschland verändert. Schließlich ist die Verbesserung der Menschenrechte ein unabgeschlossener Vorgang.
Nach ihrem Master hat Gyde die FNF noch von einer anderen Seite kennengelernt. Zu dieser Zeit hat sie als Kommunikationsreferentin gearbeitet und beispielsweise Veranstaltungen mitgestaltet. Mich überrascht, dass Gyde in dieser Zeit das geregelte Arbeitsleben und die Kontinuität vermisst, die die Projektarbeit mit sich brachte. Denn wie sie mir erklärt, ist ihr heutiger Alltag auf eine ganz andere Art routiniert. In Sitzungswochen stehen Vorbereitungen von Anträgen und Redezeiten an, außerdem Sitzungen des Fraktionsvorstandes, der Gruppen, AKs und der Fraktion. In diesen Wochen bleibt wenig Zeit für Privates.
In den sitzungsfreien Wochen gestaltet sich der Alltag flexibler, ist aber nicht weniger vollgepackt. Doch wechseln sich dann feste Termine als Mandatsträgerin immer wieder mit neuen Dingen wie dem politischen Ehrenamt, dem Privatleben und Zeit mit ihrer Familie ab. Dass sie nicht immer allem gerecht werden kann, klingt nach der logischen Konsequenz. Zum Kochen nimmt sie sich dann aber doch Zeit, genau wie zum Spazieren mit der Tochter und zum Genießen der Ostsee. Unter normalen Bedingungen nimmt sie sich natürlich auch Zeit für das Reisen und Entdecken neuer Kulturen.
Zuletzt möchte ich von Gyde wissen, wie sie es sich vorstellt mehr junge Menschen, besonders Frauen, in die Politik bringen zu können. Natürlich ist die Frage viel zu groß für das Ende unseres nun schon eine Weile andauernden Telefonats und außerdem nur sehr individuell zu beantworten. Ein paar Anregungen hat Gyde aber trotzdem für mich. Sie glaubt, dass Biss, langer Atem und Geduld von Vorteil sein können, was aber nicht bedeutet, dass man alles hinnehmen muss, auch sich beschweren kann mal in Ordnung sein.
Wir brauchen Vertrauen in junge Leute, Verbündete und Frauen jeden Alters in entscheidenden Positionen.
Gyde glaubt, dass in der FDP Raum für solche Veränderungen ist und auch ich bin auf diese Entwicklungen gespannt und blicke ihnen optimistisch entgegen. Ich denke, dass Gyde für viele in der liberalen Familie bereits ein Vorbild ist. Mich beeindruckt ihr Werdegang und ihre Arbeit auf jeden Fall sehr.
Durch diesen Wortwechsel habe ich auch einen näheren Einblick in Gydes Werdegang gewonnen und freue mich zu sehen, dass es wohl doch nicht immer der ganz lineare Lebenslauf sein muss.
freiraum #69