Das menschliche Fettgewebe ist mehr als ein Energiespeicher. Von Andreas Eigenberger

Forschung


Adipositas ist einer der gesundheitlichen Risikofaktoren in der westlichen Welt. Kein Wunder also, dass mit Fettgewebe vor allem negative Eigenschaften assoziiert werden. Dabei ist das Fettgewebe besonders für den mechanischen Schutz von Organen, für die Energiespeicherung und zur Wärmedämmung des Körpers lebensnotwendig. Ein Bestandteil dieses unterschätzten Gewebes zieht in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit vieler Forschungsgruppen auf sich: adipose-derived stem cells (ADSC), oder zu Deutsch "Fettstammzellen". ADSC sind mesenchymale Stammzellen, daher können sie sich in eine Vielzahl unterschiedlicher Gewebe wie Knorpel-, Fett-, Knochen-, Nerven- und Muskelzellen differenzieren und sich selbst erneuern. Ähnlich wie Endothelzellen wachsen ADSC adhärent auf Oberflächen. Im Gegensatz zu Stammzellen aus Knochenmark, können ADSC minimalinvasiv unter geringer Belastung des Patienten in großer Menge aus subkutanem Fettgewebe entnommen werden. Dies gibt den ADSC ein enormes Potential für den Einsatz im Rahmen der regenerativen Medizin und des Tissue Engineering.


Sucht man in der Fachdatenbank PubMed nach ADSC findet man mittlerweile mehr als 12.000 Einträge. Die Zusammenfassung dieser Paper würde selbstverständlich den Rahmen sprengen, weshalb ich nachfolgend zumindest einen Überblick geben möchte, in welchen Bereichen ADSC-Injektionen bereits etabliert worden sind. 


Keine Fachdisziplin hat mehr mit Fettgewebe zu tun als die Plastische Chirurgie. Als Folge dessen haben hier bereits viele Anwendungsgebiete für die Fettstammzellen Einzug gehalten. Das häufigste Verfahren ist die Anreicherung von autologen, also vom Patienten selbst gewonnen, Fetttransplantaten mit ADSC. Volumendefekte, die beispielsweise aufgrund eines Traumas, einer Bestrahlung oder aufgrund von Alterungsprozessen entstehen, können mit diesen angereicherten Fetttransplantaten langfristig behandelt werden. Darüber hinaus finden ADSC zur Auflockerung und zum optischen Ausbleichen von vernarbtem Gewebe Anwendung. Einige Arbeitsgruppen fanden zudem heraus, dass ADSC aufgrund der von ihnen sezernierten Faktoren die Wundheilung von chronischen und damit schwer zu therapierenden Wunden beschleunigen können. 


Auch in anderen Fachbereichen mehren sich die Eingriffe mit den Fettstammzellen: Namhafte orthopädische Kliniken werben bereits damit, dass sie ADSC zur Behandlung von Arthrose, beispielsweise im Knie-, Hüft-, oder Daumensattelgelenk, injizieren. In der HNO finden die ADSC vor allem im Rahmen der Fettaugmentation der Stimmlippen oder im Rahmen von Studien nach Gewebedestruktion bei Stimmlippenkarzinom Anwendung. Aufgrund ihrer immunmodulatorischen, antiinflammatorischen und regenerativen Wirkung wird derzeit in mehreren Studien untersucht, inwiefern ADSC bei intravenöser Verabreichung bei diversen Lungenerkrankungen helfen können. Darüber hinaus wird derzeit in der Neurologie untersucht, ob ADSC für eine Beschleunigung des Heilungsprozesses bei peripheren Nervenverletzungen eingesetzt werden können. Derzeit befassen sich über 180 Studien (clinicaltrials.gov) mit ADSC, - das heißt, die Liste wird weiterhin stetig wachsen.


Während in der Klinik weitere Anwendungsmöglichkeiten untersucht werden, beschäftigen sich einige Forschungsgruppen mit der Optimierung der Stammzell-Gewinnung und -Aufbereitung. Ein Beispiel hierfür ist meine Dissertation, in deren Rahmen ein innovatives Verfahren zur Absaugung, Aufbereitung und Injektion von Fettgewebe entwickelt werden soll. Besonders an der Aufbereitung des Gewebes ist hierbei, dass eine hohe Konzentration an ADSC und weiteren Vorläuferzellen ausschließlich durch die Verwendung von mechanischen Scherkräften erzielt werden soll. Hierdurch soll das Gewebe möglichst schonend und ohne Manipulation aufbereitet werden und somit für viele unterschiedliche Eingriffe zur Verfügung stehen.

  • Name: Andreas Eigenberger, M.Sc.
  • Fachbereich: Biomedizinische Technik
  • Universität: Universität Regensburg

Der Autor ist Stipendiat und seit August 2020 in der Promotionsförderung der FNF.


freiraum #71