In Frankreich ist es von sehr viel höherer Signifikanz als in Deutschland, bei welcher Hochschule man seinen Abschluss absolviert – dies ist nur einer der unzähligen Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen Bildungssystem. Von Christoph Haase

freiraum #75

In Frankreich ist das Hochschulsystem anders organisiert als in Deutschland. Nach dem französischen Abitur (was sich „Baccalauréat“ nennt) bewerben sich die Abiturienten über eine Webseite bei den verschiedenen Hochschulen, an denen sie studieren möchten. Die Webseite „Parcours Sup“ gibt es seit 2018. Sie wird häufig kritisiert: Jedes Jahr landen Studierende wegen Problemen der Webseite im falschen Studiengang. Je nach Hochschulort unterscheidet sich der Auswahlprozess, aber meistens sind die Noten während des letzten Gymnasialjahres das ausschlaggebende Kriterium, um an selektiven Hochschulen angenommen zu werden. Einen Numerus Clausus gibt es in Frankreich aber nicht.

Das Studium fängt in Frankreich fast immer direkt nach dem Abitur an; es ist eher unüblich, ein "Gap Year" vor dem Studium einzuschieben. Für viele Studierende ist das bedauerlich: Sie haben kein freies Jahr, um sich sozial zu engagieren, zu arbeiten oder einfach nur zu reisen. Dieser Unterschied zu Deutschland erklärt sich einerseits durch die frühe Abschaffung des Wehrdienstes unter Präsident Chirac in den 90er Jahren, aber auch durch den starken gesellschaftlichen Druck, so schnell wie möglich einen Arbeitsplatz zu finden.

Insgesamt scheint das Bildungssystem in Frankreich elitärer ausgerichtet zu sein als in Deutschland. Öffentliche Universitäten sind häufig schlechter angesehen als die sogenannten „Grandes Écoles“. Die „Grandes Écoles“ sind sehr selektive Hochschulen, in denen man über eine Aufnahmeprüfung angenommen wird. Viele Studierende gehen nach dem Abitur weiterhin für mehrere Jahre auf Gymnasien (Lycées), wo sie sich in sogenannten „classes préparatoires“ intensiv auf die Aufnahmeprüfungen der „Grandes Ecoles“ vorbereiten. In mehreren Studiengebieten gehen die besten Studenten lieber auf eine „Grande École“ als auf eine öffentliche Universität, weil sie dadurch nach Studienabschluss auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. Mehrere Grandes Écoles wie die École polytechnique (für Ingenieurwesen), SciencesPo (für Jura, Wirtschaft, Soziologie, Politikmanagement, …), oder die prestigereiche Ecole Nationale Supérieure (unterschiedlich Studiengebiete) vermitteln den Studierenden ein hervorragendes Netzwerk, das ihnen den Zugang zu den höheren Sphären der Gesellschaft und des staatlichen Apparates erleichtert.

Wenn man in Frankreich an öffentlichen Universitäten studiert, sind meistens die Studienbedingungen nicht so gut wie in Deutschland, vor allem weil die Universitäten unter starken Budgetkürzungen leiden. Obwohl Präsident Emmanuel Macron seit Anfang seines ersten Mandats versucht, das schlechte Image der öffentlichen Universität zu bekämpfen, gibt es immer mehr Sparmaßnahmen. Sylvie Retailleau, die neue Ministerin für Hochschulbildung, steht vor einer Großbaustelle.

Christoph Haase studiert an der Universität Sciences Po Paris Geschichte und Politikwis senschaften und ist seit Juni 2020 in der Grundförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.


Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des VSA-Mitgliedermagazins "freiraum", die in Kooperation mit der Medienakademie der Begabtenförderung der FNF entstanden ist. Mehr über die liberale Medienakademie könnt ihr über diesen LINK erfahren.