Das Jurastudium steht schon seit vielen Jahren in der Kritik. Die Möglichkeit eines Bachelor of Laws steht dabei schon lange im Raum. Eine Veränderung, die für viele Studierende eine Erleichterung und gleichzeitig ein positiver Schritt in Richtung der zukünftig zu bewältigenden gesellschaftlichen Herausforderungen wäre. Von Anna Bella Schilling

freiraum #75

Durch die deutsche Juristenausbildung weht seit einigen Monaten wieder ein starker Reformwind. Auch wenn an dem klassischen Jurastudium in der Vergangenheit immer wieder herumgedoktert wurde, hat sich der Reformwille vor allem in Bezug auf das Staatsexamen zurückgehalten. Dabei basiert das hiesige Studium auf der preußischen Juristenausbildung des 19. und 20. Jahrhunderts. Befeuert wird die Reformdebatte vor allem von der Diskussion über die Einführung eines sogenannten „integrierten Bachelors“, der als eine Art Auffangnetz für diejenigen Kandidaten dienen soll, welche das Erste Juristische Staatsexamen nicht bestehen und Gefahr laufen, nach fünf Jahren Studium ohne einen Universitätsabschluss dazustehen. An der Frage, ob ein solcher Bachelor sinnvoll oder gar förderlich ist, scheiden sich die Geister.

Dabei sollte man aber vor Augen behalten, dass der Ruf nach einem „Jura-Bachelor“ nicht nur einem einzigen Zweck dienen soll. Zum einen sollen mit einem solchen Abschluss die Studenten vor dem Szenario bewahrt werden, nach einem langwierigen Studium und einer missglückten Examenskampagne als „Abiturient mit Rechtskenntnissen“ neu anfangen zu müssen. Zum anderen soll mit einem Bachelor der enorme Druck und der psychische Stress der Studierenden in der ein- bis zweijährigen Examensvorbereitung gesenkt werden. Hat man bereits nach dem Grund- und Schwerpunktstudium einen Bachelorabschluss in der Tasche, so ist man vielleicht nicht so anfällig für die schlaflosen Nächte und Verzweiflungsanfälle, welche die meisten Examenskandidaten früher oder später einholen.

Das Jurastudium ist lang und anstrengend und so groß auch die Erleichterung und die Feierlaune nach dem bestandenen Examen sein mögen, der Weg dahin ist für die meisten steinig. Einige haben panische Angst vor dem Nichtbestehen der Staatsprüfung, andere kämpfen verbissen um die magischen 9 Punkte, die einem jede Tür in eine Großkanzlei oder in den Staatsdienst öffnen können. Auch wenn Geschichten von Jurastudierenden, die Kommentare in der Bibliothek verstecken oder Seiten aus relevanten Fachzeitschriften herausreißen, überspitzt sind, so ist das Studium dennoch von einem stetigen Konkurrenzkampf geprägt. Die Umfrage zum psychischen Druck des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) aus dem Jahr 2022 zeigt, dass 70 % der Jurastudierenden ihren Studiengang nicht weiterempfehlen würden.

Aber kann ein integrierter Bachelorabschluss dieses Problem wirklich lösen? Die Reformbemühungen um die Prüfungsform des Staatsexamens als Abschluss des Studiums halten sich in Grenzen. Schließlich genießt die deutsche Juristenausbildung wegen der Breite des abgedeckten Stoffs und der Fähigkeit der Studierenden, diesen auf Abruf anzuwenden, in Europa und den USA ein sehr hohes Ansehen und ist bekannt für das hohe Niveau. Auch dient der Staatsexamensstudiengang an erster Stelle der Befähigung zum Richteramt, und dass daran aufgrund der damit einhergehenden Verantwortung hohe Anforderungen zu stellen sind, ist nachvollziehbar. Mit einem Bachelor of Laws blieben einem die „klassischen“ juristischen Berufe wie Anwalt oder Richter verwehrt. Die Behauptung von Prof. Dr. Tiziana Chiusi in ihrem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der integrierte Bachelor sei daher ein „Looser-Abschluss“, ist auf viel Kritik gestoßen. Es stimmt natürlich, dass ein Bachelor of Laws kein Erstes Staatsexamen ersetzen kann. Auch werden Absolventen eines Bachelor of Laws in Konkurrenz mit Absolventen der Fachhochschulen treten, welche schon seit vielen Jahren wirtschaftsrechtliche Studiengänge anbieten. Bei dem herrschenden Fachkräftemangel ist es allerdings unwahrscheinlich, dass ihre Chancen nach dem Abschluss eines LLB auf dem Arbeitsmarkt schlecht stünden.

Berechtigt ist aber zumindest die Frage, ob ein integrierter Abschluss möglicherweise einigen Studierenden die Motivation zur Examensvorbereitung nehmen würde. Hier lohnt sich aber ein Blick auf diejenigen deutschen Universitäten, die den Bachelor of Laws bereits vor einigen Jahren eingeführt haben. Aktuell verfügen unter anderem die Humboldt Universität Berlin und die Freie Universität Berlin über einen integrierten Bachelor. Die Studierenden an diesen Fakultäten scheinen auch nicht über den LLB zu klagen oder eine fehlende Motivation auf dem Weg zum Staatsexamen anzuprangern. Außerdem sind die Studierenden zu Beginn der Examensvorbereitung in der Regel bereits Anfang/Mitte Zwanzig und haben ihr Fach seit über drei Jahre studiert. Sie dürften also wissen, was sie im weiteren Verlauf des Studiums erwartet und autonom abwägen können, ob sie sich noch zwei Jahre in die Examensvorbereitung begeben wollen.

Auch ist es doch im Interesse der Fakultäten, möglichst viele Studierende für das Fach zu begeistern und den juristischen Nachwuchs zu fördern, den sowohl der Staat – man bedenke die auf uns zurollenden Pensionswelle in der Justiz – als auch der private Sektor in den kommenden Jahren dringend brauchen wird. An den bayerischen Universitäten befürworten 92 % der Studierenden im Rahmen der Studienbefragung der Landesfachschaft Bayern die Einführung eines vollständig integrierten Bachelor of Laws. Bei einer derart überwiegenden Mehrheit wäre es paradox, der Meinung und dem klaren Wunsch der Studierenden nicht nachzugehen.

Es bleibt abzuwarten, ob der integrierte Bachelor of Laws eine wirksame Reformbemühung ist. Wenn aber dadurch auch nur einige Studierende eine schlaflose Nacht weniger und mehr Spaß an ihrem Studium haben, dann wäre es einen Versuch zumindest wert.

Anna Bella Schilling studierte in Konstanz und Bogotá Rechtswissenschaft und war von 2016 bis 2022 in der Grundförderung der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit. Aktuell absolviert sie einen LL.M Studiengang in Chicago.


Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des VSA-Mitgliedermagazins "freiraum", die in Kooperation mit der Medienakademie der Begabtenförderung der FNF entstanden ist. Mehr über die liberale Medienakademie könnt ihr über diesen LINK erfahren.