Von Simon Roloff
Mobilität soll für alle verfügbar sein, doch bei der Wahl des Verkehrsmittels gerät die freie Verfügbarkeit schnell an ihre Grenzen. Beispiel Prädikow, 50 Kilometer östlich von Berlin. Ein Ort mit gut 200 Einwohnern, Kopfsteinpflaster auf der Dorfstraße. Der Bus ins zehn Kilometer entfernte Strausberg, mit S-Bahnanschluss nach Berlin, fährt nur dreimal am Tag, am Wochenende gar nicht. Das Auto ist hier unabdingbar und ein Deutschlandticket nutzlos.
Das ist Stand heute. Mobilität muss für morgen gemacht werden und dabei muss eine Antwort auf die Frage gefunden werden, wie wir Nahverkehr in ländlichen Räumen effizient und attraktiv gestalten können. Auch in Zukunft wäre ein Verharren auf dem Auto als einziges Mittel der Wahl für die Menschen in Prädikow falsch, denn das Angebot durch neue Mobilitätsformen ist da und das Zauberwort zur Umsetzung heißt Intermodalität. Einstieg in den bedarfsorientierten, autonomen Dorfbus, der zum Bahnhof pendelt, dort Umstieg in die eng getaktete Schnellbahn, dank moderner Verkehrsleittechnik. Die Umsetzung solcher Mobilitätsketten klingt nach einem Übermut an Idealismus, doch den braucht es, um mutig an neue Plattformkonzepte heranzugehen.
Dutzende Gemeinden in ländlichen Räumen erproben schon heute verschiedenen Konzepte neuer Mobilitätsangebote wie Carsharing, autonome Dorfbusse oder ein Angebot an Mikromobilität, also ausleihbaren Elektro-Scooter und E-Bikes. Die Technologien sind da.
Überzeugen wir uns selbst von diesen Angeboten als praktikable Alternativen.
Viel mehr als die Entwicklung solcher Angebote, bedarf es, im Kopf den Schalter bei uns umzulegen und uns selbst von diesen Angeboten als praktikable Alternative zu überzeugen. Wagen wir dafür einen Perspektivenwechsel. Es ist im Trend, die Komfortzone zu verlassen, neue Kontakte zu knüpfen, diszipliniert den Fitnessplan einzuhalten, auf Reisen neue Abenteuer zu erleben. Der ständige Wandel des Alltages wird zum Alltag. Und mit Blick auf die Klimakrise ist dieser Wandel auch in unserer Mobilität nötig. Dabei geht es aber viel weniger darum, sich einzuschränken, gar weniger mobil zu sein. Es geht um die Möglichkeit der Auswahl des besten Angebots. Ob beim Fitnessstudio oder Verkehrsmittel. Wenn man die zuvor beschriebene Mobilitätskette die Umsteigewiderstände aufgrund von Reisezeit, Buchungsaufwand, Komforteinbußen und Reisekosten überwinden kann, dann lohnt sich eine Wahl dieses Angebots. Von diesem Punkt aus müssen alle innovativen Verkehrskonzepte gedacht werden.
Auf lange Sicht braucht es neben Modellprojekten die Etablierung eines bedarfsorientierten Nahverkehres in der Fläche.
Auf lange Sicht braucht es neben Modellprojekten die Etablierung eines bedarfsorientierten Nahverkehres in der Fläche. Die Hebel für den Erfolg von plattformbasierter intermodaler Mobilität liegen allerdings bei verschiedenen ineinandergreifenden Infrastrukturfragen. Für den Betrieb autonomer Busse bedarf es etwa eines Netzausbaus der 5GTechnologie. Für die abgestimmte Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln eine digitale Mobilitätsplattform und dafür eine Standardisierung zur Integration von Nutzerdaten. Für Mikro- und Elektromobilität ist eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur auch abseits von Hauptverkehrsadern nötig.
Die Antwort auf die Kernfrage der Erhöhung des Angebotes muss von zwei Enden erfolgen.
Auch wenn es sich bei Mobilitätsplattformen um ein eigenes Konzept handelt, soll die Wirkung des Deutschlandtickets in diesem Kontext nicht unerwähnt bleiben. Es löst immerhin zwei von vier zuvor genannten Umsteigebarrieren. Neben einer einheitlichen Tarifstruktur, ein Preis für den gesamten Nahverkehr in Deutschland, setzt der Einführungspreis von 49 Euro auch einen monetären Anreiz zum Umstieg. Die Antwort auf die viel diskutierte Kernfrage der Erhöhung des Angebotes muss dabei von zwei Enden erfolgen. Durch die beiden Faktoren geringer Buchungsaufwand und günstiger Preis steigert die Nutzerseite die Nachfrage, durch die Verbesserung von Komfort und zeitsparende Integration verschiedener Verkehrsmittel miteinander, steigert die Anbieterseite die Qualität des Angebots und in der Konsequenz die Nachfrage. Folgen wir diesem Lösungsansatz für eine Wahlfreiheit bei der Mobilität, dann geben wir nicht nur neuen Technologien ihren Platz, sondern tragen auch zu mehr Bewusstsein der Vielfalt an Verkehrsmitteln – über das Auto hinaus – in ländlichen Räumen bei.
Simon Roloff studiert Betriebswirtschaftslehre an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Sie ist seit Januar 2021 in der Grundförderung der FNF.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des VSA-Mitgliedermagazins "freiraum", die in Kooperation mit der Medienakademie der Begabtenförderung der FNF entstanden ist. Mehr über die liberale Medienakademie könnt ihr über diesen LINK erfahren.