Eine optimistische Sicht auf die Generationengerechtigkeit. Von Nils Klähn

Debatte

 


Die politischen und ökonomischen Probleme des demografischen Wandels sind hinlänglich bekannt. Politische Parteien jeglicher Couleur haben sich dazu positioniert und Lösungsvorschläge erarbeitet. Zudem gibt es nicht ein überregionales Medium, das sich nicht schon tiefgreifend mit dieser Thematik auseinandergesetzt hätte. Daher verzichtet dieser Text darauf, alte Argumente hervorzubringen, die der Leserschaft vermutlich zur Genüge bekannt sind.

In der Debatte um den demografischen Wandel werden überwiegend die Probleme in Bezug auf die Generationengerechtigkeit hervorgehoben. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog sprach in diesem Kontext vor einigen Jahren von einer sich anbahnenden »Rentnerdemokratie«. Auch wenn viele der hervorgebrachten Probleme durchaus real sind, ist diese Debatte in gewisser Weise typisch deutsch: Es wird nur die negative Seite der Medaille betrachtet. Eine Frage, die nahezu immer ausgeblendet wird, ist die nach den Chancen des demografischen Wandels.

Zunächst ist festzustellen, dass schon die Ursache des demografischen Wandels positiv ist: Die erhöhte Lebenserwartung und die geringeren Geburtenraten sind typische Zeichen eines steigenden Wohlstands Folglich ist allein die Tatsache, dass ein demografischer Wandel stattfindet, ein Beweis dafür, dass in der Vergangenheit einiges richtig gelaufen ist.

Doch worin könnten die Vorteile des demografischen Wandels liegen? Was zunächst trivial klingen mag, ist jedoch auch der größte Vorteil einer älter werdenden Gesellschaft: Durch die steigende Lebenserwartung steigt auch die Freiheit des Individuums, da jedem Menschen im Mittel mehr Lebenszeit zur Verfügung steht. Während alte Menschen bis vor wenigen Jahrzehnten bettlägerige Invaliden waren, denen nach Renteneintritt nur wenige Jahre blieben, sind die Senioren von heute bis ins hohe Alter mobil und können ihr Leben selbstbestimmt führen. Nicht wenige Rentner nutzen ihre Zeit, um ausgiebig zu reisen oder sich an Universitäten als Gasthörer einzuschreiben und ihren Horizont zu erweitern.

Aus der soeben beschriebenen Freiheit können auch Vorteile für die junge Generation resultieren. Diejenigen, die vorwiegend die negativen Seiten des demografischen Wandels sehen, sprechen davon, dass immer weniger junge immer mehr alte Mitbürger finanzieren müssen. Dreht man den Spieß jedoch um, so ist festzustellen, dass auch immer mehr Erwachsene für immer mehr Kinder sorgen können. Es ist doch durchaus denkbar, dass einige Senioren ihre dazugewonnene Freiheit dazu nutzen werden, um die Kinder der arbeitenden Bevölkerung zu hüten. Im Gegensatz zum 20-jährigen Erzieher weist die dynamische 70-jährige Rentnerin mehr Lebenserfahrung im Umgang mit Kindern und zeitliche Flexibilität auf. Das Resultat wäre mehr Freiheit für die Eltern des Kindes und eine bessere Betreuung des Nachwuchses, was sich wiederum positiv auf die Entwicklung des Kindes und dessen Chancen im Leben auswirken würde. Die größere Freiheit der Alten hätte damit auch eine größere Freiheit der Jungen zur Folge.

Ältere Menschen können den jungen also mit ihren Erfahrungen helfen. Das gilt nicht nur für die Kindererziehung, sondern auch für alle anderen Bereiche des Lebens. Rentner haben im Laufe ihres Berufslebens Fähigkeiten von unschätzbarem Wert erworben. Mit dem Renteneintritt geht dieses Wissen mit einem Schlag verloren. Wenn dieses Wissen jedoch von den Alten an die Jungen weitergegeben würde, so könnte ein Mehrwert für die junge Generation geschaffen werden. Ein Beispiel hierfür liefert die Privatwirtschaft: Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, Berufseinsteigern pensionierte Mentoren zur Seite zu stellen, die den Jungen dabei helfen, sich in der Berufswelt zurechtzufinden. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Produktivität des jeweiligen Unternehmens aus, sondern beschleunigt auch die Karriere des Berufseinsteigers.

Es existieren noch viele weitere Beispiele dafür, wie alte Menschen das Leben der jungen bereichern können. Selbstverständlich beschränkt sich dieser Text auf die positiven Seiten des demografischen Wandels und klammert dessen Nachteile, die zweifelsohne zahlreich vorhanden sind, bewusst aus. Ebenso bedarf es keiner Diskussion darüber, dass die Rahmenbedingungen noch geschaffen werden müssen, damit die Vorteile des demografischen Wandels vollends ausgeschöpft werden können. Dennoch ist eine optimistische Sicht auf die Zukunft nicht nur zielführender, sondern auch zutiefst liberal. Schließlich wohnt dem Liberalismus seit jeher ein unternehmerischer Grundgedanke inne. Dem Un- ternehmertum entspringt wiederum die Überzeugung, mithilfe kreativer Geschäftsmodelle einen Mehrwert schaffen zu können. Dies wird auch im Fall des demografischen Wandels gelingen, sofern dem Individuum die nötigen Freiheiten zur Realisierung der eigenen Ideen gelassen werden. 

 

freiraum #59