Entfernt sich der Fußball vom Sport? Von Carl-Friedrich Finke

Schwerpunkt

 


Was bleibt vom Fußballjahr 2017? Ein Jahr mit erster Titelverteidigung in der Champions League, der Europameisterschaft der Frauen und der Dominanz der deutschen Männermannschaften in Confed Cup und U21-EM. Aber dem aufmerksamen Fan sind auch die Schattenseiten des nicht immer glänzenden Fußballgeschäfts nicht entgangen. Pfiffe beim DFB-Pokalfinale, horrende Transfersummen für Topspieler und zweifelhafte Streiks zu Karrierezwecken von verschiedensten Spielern machten von sich reden. Eine Studie des »kicker«-Magazins und des Deutschen Instituts für Sportmarketing förderte im letzten Jahr Aufmerksamkeit erregende Ergebnisse zu Tage. Sie bestätigte viele Fans in ihrem Gefühl, das Massenevent Fußball in Deutschland entferne sich zunehmend von seiner Fanbasis. So stimmten der Aussage, der Fußball müsse aufpassen sich nicht zu sehr von seinen Fans zu entfernen, 83,3 Prozent der Befragten zu. Den höchsten Zustimmungswert aller Aussagen (knapp 87 Prozent) erhielt die These, im Profifußball gehe es nur noch um immer mehr Geld. Sicherlich ist die Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs keine Neuerscheinung und das so entstandene Sportgeschäft aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Doch bleibt die Frage der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere wenn zwei Dinge zusammenkommen sollen, die nah beieinander und doch oft weit auseinander liegen – der große Sport und das große Geld.

Der Fußball versucht sich weiterzuentwickeln und er steht im weltweiten Blickpunkt. Da die englische Liga sich zunehmend einer wachsenden asiatischen Fanbasis gegenübersieht, sorgte das nächtliche Auslosen der Begegnungen des League Cups für Aufsehen bei europäischen Fans. Diese wirtschaftliche Orientierung der Liga zugunsten der ertragreichen Übertragungsrechte ins Ausland führt zu enormen finanziellen Transfermarktvorteilen englischer Clubs (Einnahmen aus Übertragungen werden wie in Deutschland auch in England auf die Clubs nach einem Schlüssel verteilt). An dieser Stelle liegt die deutsche Fußballwelt zurück.

So wurde beim DFB-Pokalfinale 2017 versucht mit der Zeit zu gehen, in Form der in den USA bei Sportevents üblichen Halbzeitpausenunterhaltung. Die Fans pfiffen Helene Fischer im Olympiastadion aus, die Schlagersängerin wurde im Nachhinein schnell von vielen, wie beispielsweise Ex-Profi Ansgar Brinkmann, von jeglicher Schuld freigesprochen. Das Pausenentertainment des DFB hat ein schlechtes Feedback erhalten, doch offen bleibt weiterhin die drängende Frage, wohin der Fußball geht und wie er mit seinem unvermeidbaren Wandel umgeht. Viele Fans kritisieren zu stark steigende Ticketpreise – diese Kritik zeigt sich im Detail als wenig haltbar. So ist im Vergleich zur Vorsaison 2016/17 der günstigste Einzelticketpreis aller Bundesligaclubs im Mittel gleich geblieben, die teuerste Einzelticketkategorie stieg lediglich um 4 Prozent. Es verwundert deshalb nicht, dass im boomenden Fußballgeschäft sogar eine 7 Prozent-Steigerung der Dauerkartenverkäufe für die Erstligavereine zu verzeichnen war.

Nicht zuletzt ist eine Umgewöhnung für viele, die den deutschen Fußball seit Jahrzehnten beobachten, das veränderte Spielerprofil. Die Spieler sind verantwortungsvoller geworden, ernährungsbewusst und leistungsbetont sowieso. Es wurden bereits einige Spieler wie der Bremer Spieler Max Kruse an einer Teilnahme am Nationalkader durch vereinzelte Party-Eskapaden gehindert. Dieses vorbildhafte Sendungsbewusstsein ist weniger Zielpunkt häufiger Kritik als eher das Ausarten einiger zu Ausnahmetalenten erklärter Spieler. Diese werden zu Marken mit millionenschweren Spielerberatern, die bei ihren Vereinen nicht mehr zum Training erscheinen, um einen Transfer zu einem anderen Verein
zu erzwingen.

Wieviel Sport und wieviel Fairness steckt in diesem Geflecht? An dieser Stelle sollte vor allem auf die Eigenverantwortung der Vereine verwiesen sein: die Maschen vieler Spieler haben sich als effektiv erwiesen, die Clubs werden in Zukunft konsequenter mit solchen Fällen umgehen müssen, um diesem Druck zu widerstehen oder ihn gar nicht erst entstehen zu lassen.

Es bleibt trotzdem das ungute Gefühl der wachsenden Distanz zwischen Fan und dem Massenevent Fußball. Die Wirtschaftlichkeit von Clubs steht selbstverständlich im Fokus der jeweiligen Vereine, so ist beispielsweise der BVB Dortmund ein börsennotiertes Unternehmen und denkt auch an seine Aktionäre. Zur Unterbindung des ausufernden Einflusses von verschiedensten Investoren und vermögenden Interessenten im internationalen Fußballgeschäft steckte die UEFA die Regeln des Financial Fairplays ab. Das System sollte den Sport vor einer Entfremdung schützen, ist aber nach dem dennoch möglichen 222-Millionen-Neymar-Deal hinsichtlich seiner Funktionsfähigkeit in die Kritik geraten . Eine Ökonomisierung des Sports ist unvermeidbar wie auch sinnvoll, braucht aber klare Regeln und Grenzen. Der sportliche Wettbewerb hört im Ringen um die größten Talente nicht auf, hier entwickelt er sich. Die Fußballverbände sind deshalb in der Verantwortung, für diesen Wettbewerb sinnvolle Regeln zu erstellen und konsequent durchzusetzen, um somit den Rahmen für einen zukunftsfähigen Fußball zu gewährleisten, der auch von Fans als fair und sportlich empfunden wird.

 

freiraum #58